Reform des Straßenverkehrsgesetzes vorerst gescheitert

Entscheidung ist Misstrauen gegenüber Kommunen und deren Spitzenverbänden.  

Die Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) wurde im Bundestag am 20.10.2023 verabschiedet. Zur großen Überraschung und Irritation gab es im Bundesrat am 24.11. keine Mehrheit für das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und damit auch die Straßenverkehrsordnung (StVO).

Einige Landesregierungen hatten wohl befürchtet, die vorgelegte Reform des Straßenverkehrsrechts schränke die traditionell vorrangige Leichtigkeit des Autoverkehrs ein. Sie haben die Reform im Bundesrat gestoppt.

Dies hat bereits am Wochenende hohe Wellen geschlagen. Der NRW Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer sprach dazu schon in seiner Rede auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen. (Siehe Video unten)

Auch wir wollen an dieser Stelle darauf ganz deutlich hinwiesen – auch die Stadt Düren hatte sich früh der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ angeschlossen, die zuletzt schon 1000 Unterstützerkommunen hatte.

Jeden Tag spüren wir, dass die Politik noch immer den motorisierten Individualverkehr priorisiert. Daher ist es wichtig, dass wir eine laute Stimme für die Menschen zu Fuß und auf dem Rad sind.  Wir setzen uns dafür ein, dass die Zukunft Rad – und fußverkehrsfreundlicher wird.
Umweltverbände und Grüne fordern Bundestag und den Bundesrat auf, sich im Vermittlungsverfahren doch noch zu einem Schritt in die Gegenwart und zu mehr lokaler Demokratie durchzuringen. Bleibt es beim alten Recht, wäre das die Bankrotterklärung der deutschen Verkehrspolitik. Ob es für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat kommt, hängt nun maßgeblich davon ab, wie sich die FDP verhält. Denn nur der Bundestag oder die Regierung können nun den Vermittlungsweg eröffnen. 

Jedes Jahr sterben über 2.500 Menschen im Straßenverkehr, darunter auch viele zu Fuß gehende oder Rad fahrende Menschen. Besonders besorgniserregend ist die Vernachlässigung der Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmende wie Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen. Dieses Jahr wurde sehr offenkundig, dass der Verkehrsminister Wissing die Klimaziele seines Ressorts missachtet. Ein verheerendes Signal gegen den Klimaschutz! Angesichts des Klimawandels ist jedoch eine Umstellung des Verkehrs dringend erforderlich.

Der Vorsitzende des Dürener Mobilitätsausschusses, Georg Schmitz, sieht in den Vorgängen eine parteipolitische Linie der CDU, um die Ampel zu destabilisieren! „In Sonntagsreden sprechen CDU`ler von Radverkehrsförderung und Verkehrswende, in Wirklichkeit wird mit aller Kraft blockiert! Es ist eine inhaltliche Ablehnung von den Autofans. Als Grund wird teilweise zu wenig Beachtung von Verkehrssicherheit vorgeschoben – aber von denen, die sonst nichts für Verkehrssicherheit tun. Maßnahmen zur Verkehrssicherheit werden durch die bisherigen Gesetze eben oft verhindert! Das sind Scheinargumente, denn die Vorschläge sind auch Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit“.    

Dazu ein Pressetext der MdB Swantje Michaelsen:

„Dass die Reform des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung heute im Bundesrat gescheitert ist, ist mehr als bedauerlich. Damit bremst der Bundesrat eine Reform aus, die den Kommunen deutlich mehr Entscheidungsspielräume eingeräumt hätte. Die Verankerung der neuen Ziele im Gesetz hätte das Straßenverkehrsrecht endlich auf eine moderne Rechtsgrundlage gestellt. Und mit der StVO wäre die gezielte Förderung von Rad-, Fuß- und Busverkehr deutlich erleichtert worden. Weitergehende Regelungen bei Tempo 30 wären im Laufe der Zeit ebenfalls möglich gewesen. Und natürlich hätte auch die Verkehrssicherheit gewonnen.

Bitter ist das Ergebnis vor allem für die Kommunen: sie stehen jetzt mit leeren Händen da. Statt mehr Möglichkeiten für die Gestaltung vor Ort, statt einer modernen Rechtsgrundlage, bleibt ihnen nur ein Straßenverkehrsgesetz aus der Kaiserzeit. So darf es nicht bleiben, daher werden wir für eine Reform kämpfen und prüfen jetzt die nächsten Schritte.

Der Vorwurf, dass die Novellen von StVG und StVO die Lage der Verkehrssicherheit verschlechtern würde ist absurd: Die erleichterte Anordnung von Radwegen oder Zebrastreifen würde vielerorts helfen, die Straßen für die Menschen sicherer zu machen. Vielmehr ist die aktuelle Rechtslage das Problem: Denn die Flüssigkeit des Autoverkehrs darf nur eingeschränkt werden, wenn es bereits Verletzte und Tote gibt“ sagt Swantje Michaelsen, Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Verkehrsausschuss:

Hintergrund:

Freitag stand das Straßenverkehrsgesetz zur Zustimmung auf der Agenda des Bundesrats. Auch eine Novelle der StVO war zur Beschlussfassung aufgesetzt. Das Straßenverkehrsgesetz konnte nicht die erforderliche Mehrheit erlangen. Damit entfällt auch die Novelle der StVO, die erst auf Basis des reformierten Gesetzes hätte erfolgen können. Für die Reform von StVG und StVO hatten sich parteiübergreifend viele Kommunen eingesetzt, unter anderem die kommunalen Spitzenverbände und die Initiative für lebenswerte Städte mit mehr als 1.000 Kommunen. Denn sie wünschen sich mehr Entscheidungsspielräume vor Ort, um ihren aktuellen Herausforderungen begegnen zu können.

Zitate aus der WDR Berichterstattung:
Im Bunderat hat NRW nicht für eine Reform im Straßenverkehrsrecht gestimmt. Das sorgt jetzt für ungewohnten Ärger in der schwarz-grünen Koalition. CDU und Grüne sind bislang sehr stolz darauf, wie geräuschlos die ungewohnte Koalition in NRW gemeinsam regiert. Großer Streit blieb aus – oder wurde zumindest nicht öffentlich. Doch eine Abstimmung im Bundesrat am Freitag macht nun erstmals spürbare Risse in der Koalition deutlich.

Städte und Gemeinden sollen mehr Spielraum etwa für das Einrichten von Busspuren, Radwegen und Tempo-30-Zonen bekommen. Auch in NRW fordern das mehrere Kommunen. Doch das entsprechende Gesetz der Ampel-Bundesregierung bekam am Freitag keine Mehrheit. Unter anderem die NRW-Landesregierung stimmte nicht dafür.

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Genau das sorgt nun für Ärger. Die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Wibke Brems, sagte ungewöhnlich deutlich: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass die CDU durch ihre Ablehnung der Novellierung des Straßenverkehrsrechts für eine Enthaltung Nordrhein-Westfalens im Bundesrat gesorgt hat.
Die Grüne wies in diesem Zusammenhang auf den Koalitionsvertrag hin. Tatsächlich haben sich CDU und Grüne im Sommer 2022 darauf verständigt: „Wir werden uns im Rahmen der Novellierung der Straßenverkehrsordnung dafür einsetzen, dass Kommunen mehr Handlungsfreiheit zur Steigerung der Verkehrssicherheit und der Aufenthaltsqualität erhalten.

Trotzdem stimmte NRW am Freitag nicht zu. Das dürfte an einer weiteren Formulierung im Koalitionsvertrag liegen. Zum Thema Bundesrat heißt es nämlich: „Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat wird im gegenseitigen Einvernehmen der Koalitionspartner festgelegt. Kommt eine Einigung über das Abstimmungsverhalten nicht zustande, wird sich das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat der Stimme enthalten.“

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer zeigte sich nach der Abstimmung ebenfalls enttäuscht: „Der Bundesrat hat heute die Chance verpasst, den Straßenverkehr umwelt- und klimafreundlicher und vor allem sicherer zu gestalten.“ Auch wenn die Reform vielen noch nicht weit genug gehe, wäre sie „ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen“. Und weiter: „Durch das Votum des Bundesrates ist dies nun erst einmal gescheitert.“ (Quelle: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/bundesrat-abstimmung-gruene-nrw-koalition-100.html)

Unser Einsatz geht weiter – wir Grüne kämpfen für eine Reform des STVG, wie sie die Kommunen über alle Parteigrenzen hinweg fordern

Zusatzinfos:
https://www.spiegel.de/auto/stvo-bundesrat-stoppt-verkehrsreform-der-ampelkoalition-a-55f982f7-2ce3-474a-8f61-22ec81a36df0?sara_ref=re-xx-cp-sh

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundesrat-strassen-verkehrsrecht-ablehung-100.html

https://taz.de/Verkehrsreformen-vorerst-gescheitert/!5972781/