Newsletter der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Jülicher Stadtrat (März 2023)

Dieser Newsletter erscheint nach jeder Sitzungsrunde der Ausschüsse und des Rates, also sechs- bis siebenmal im Jahr. Er soll kurz und kompakt die für die Fraktion der Grünen wichtigsten diskutierten bzw. beschlossenen Themen darstellen. Wir wollen damit mehr Informationen bereitstellen, als den Medien zu entnehmen sind, und vor allem zur Transparenz von Beschlüssen beitragen. Wenn du/Sie den Newsletter nicht erhalten möchtest/möchten, genügt eine kurze E-Mail an die Versandadresse.

Mobilität: Lippenbekenntnisse bei gleichzeitiger Blockade von konkreten Fortschritten
Es zeichnet sich immer mehr ab, dass die Mehrheit aus CDU und JÜL im Stadtrat konkrete Fortschritte beim Thema Mobilität blockiert, während man sich gleichzeitig nicht offen gegen Maßnahmen in diesem Bereich positionieren will. Mit einer Teilnahme an der Europäischen Mobilitätswoche (EMW) im September hat man hingegen kein Problem, zumal die Verwaltung vorgeschlagen hat, dass es in der Woche nur noch einen „autoarmen“ Sonntag geben soll. Eine solche Teilnahme haben die Grünen abgelehnt.
Mobilität ist ja immerhin inzwischen ein viel diskutiertes Thema. Es stand gleich mehrmals im Ausschuss für Kultur, Dorf- und Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung (KDSW) und im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) auf der Tagesordnung. Aber Fortschritte sind nicht in Sicht. So wurde die erste Maßnahme zur Umsetzung des vor fast 2 Jahren beschlossenen Mobilitätskonzepts weiterhin von CDU, JÜL und FDP blockiert. Sie nahmen die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie zur Errichtung eines Radweges entlang der Rübenstraße und zum Umbau des Knotenpunktes Dürener Straße/Oststraße im KDSW von der Tagesordnung. Begründet wurde das mit noch ausstehenden Gesprächen mit der Zuckerfabrik bezüglich der Rübenstraße, die allerdings laut Verwaltung bereits stattgefunden haben.
Im HFA wurden außerdem zwei Projekte der Mobilitätsbeauftragten in erster Linie von CDU und JÜL nun endgültig abgelehnt: die Beleuchtung und der barrierefreie Ausbau der Promenade und die Beleuchtung des Radweges Jan-van-Werth-/Josef-Bierth-Straße. Es gebe dringlichere Maßnahmen, so die Begründung. Außerdem stellten CDU und JÜL im Rahmen der Haushaltsberatungen den eigentlich überflüssigen Antrag, dass die vorgesehenen Gelder für investive Maßnahmen des Mobilitätskonzepts mit einem Sperrvermerk versehen und damit unter Gremienvorbehalt gestellt werden. Dabei geht es um 400.000 € jährlich. Gleichzeitig befürwortete man aber laut Begründung des Antrags die Investitionen ausdrücklich. Die investiven Maßnahmen werden ohnehin immer im Fachausschuss vorgestellt und im Einzelnen beraten und beschlossen. Dem Antrag stimmten alle Fraktionen außer den Grünen zu.
Hintergrund dieser Haltung ist aus Sicht der Grünen, dass die beiden Mehrheitsfraktionen sich grundsätzlich gegen jegliche Einschränkungen des Autoverkehrs stellen. Denn selbst einem aus grüner Sicht guten Antrag der SPD wurde nur knapp nach langer Diskussion im KDSW mit 10 zu 9 Stimmen zugestimmt. Dabei ging es lediglich darum, dass die Stadt Jülich der Initiative ,,Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beitritt, um sich auf Bundesebene für mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von innerstädtischer Tempolimits einzusetzen. Gestört haben sich die Gegner des Antrags insbesondere daran, dass in der Begründung des Antrags auf die Vorteile eines Tempolimits auf der Großen Rurstraße hingewiesen wurde. Auch ein absolutes Halteverbot auf der Häuserseite der Kölnstraße wurde trotz der ständig dort parkenden Fahrzeuge und der gefährlichen Konflikte mit dem Radverkehr erst nach langem Hin- und Her beschlossen.
Symbolische Aktionen darf die Stadtverwaltung hingegen durchführen. Eine Teilnahme an der Europäischen Mobilitätswoche ohne konkrete Verbesserungen, wie man auch ohne Auto in die Innenstadt kommen kann, macht wenig Sinn. Die Kölnstraße soll nicht mehr mehrere Tage für den Autoverkehr gesperrt werden, sondern nur noch an einem Sonntag. Das Ziel einer autofreien Innenstadt wird wegen der lautstarken Proteste des Einzelhandels nach Aussage der Mobilitätsbeauftragten der Stadt auch gar nicht mehr verfolgt. Nach Ansicht der Grünen war die letzte Europäische Mobilitätswoche vor allem in Anbetracht der Ressourcen, die die Verwaltung für die Vorbereitung aufgewandt hat, nicht gerade ein Erfolg. Nötig ist in Jülich die Umsetzung von konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität, nicht eine schlecht besuchte Alibi-Woche, um sich das Thema auf die Fahnen zu schreiben.

Schwanenquartier: Vorentwurf aus Raum und Zeit gefallen
Trotz auch von den anderen Fraktionen außer der JÜL geäußerten Bedenken wurde im Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss (PUB) der Aufstellungsbeschluss für den B-Plan „Am Schwanenteich“ gefasst. Die bisherige Planung (https://ratsinfo.juelich.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZa640rOQGeLsyIxVfDFIM7Hqw8qphyyDY65EEa_OLnYt/03_Praesentation_Juelich.pdf) sieht eine bis zu sechs Geschosse hohe Bebauung mit einem Hotel, einem Vollsortimenter und einer Seniorenresidenz entlang der Bahnhofstraße vor. Gegenstimmen kamen von den Grünen und zwei von der SPD.
Kritikpunkte sind vor allem die Höhe der Bebauung, der Wegfall des Parkplatzes und der darauf stehenden Bäume sowie die fragliche Notwendigkeit eines weiteren Vollsortimenters und der Seniorenresidenz.
Im Vorfeld hatte der Förderverein „Festung Zitadelle Jülich“ den Vorentwurf als „aus Raum und Zeit gefallen“ bezeichnet. „Dem nun vorliegenden Vorentwurf geht diese notwendige Sensibilität, das zu wünschende Gespür für den „Genius loci“ dieses Ortes in einem erschreckenden Maße ab! Die Planer scheinen sich mit der Historie des Areals um den Schwanenteich auch nicht im Geringsten beschäftigt zu haben“, heißt es in der Stellungnahme des Vereins weiter.

Walramplatz – weitere Baumfällungen
Auch die geplante Bebauung des Walramplatzes wurde gegen die Stimmen der Grünen abgesegnet (https://ratsinfo.juelich.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZdrbjj4RE_FUuWdXuJKJXeg43PIxsUoMMHMXYrcM5BeG/Anlage_16_Visualisierungen.pdf). Gegen den Beschluss über die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans stimmten im PUB und im HFA nur die Grünen und ein Vertreter der JÜL, der seine Ablehnung mit den wegfallenden Parkplätzen begründete. Im Stadtrat gab es hingegen auch 3 Enthaltungen und 2 Gegenstimmen seitens JÜL und SPD.
Aus Sicht der Grünen werden Klimaschutzbelange bei der konkreten Planung nicht ausreichend berücksichtigt. Grundsätzlich unterstützen die Grünen die Idee, mit einem Lebensmittelladen den Walramplatz und den westlichen Teil der Innenstadt zu beleben. Gegenüber dem Aufstellungsbeschluss im Dezember 2020 soll nun aber auch der letzte damals noch verbliebene Baum gefällt werden. Der vorgesehene 1,5 m breite Grünstreifen ist zu schmal. Eine Fassadenbegrünung ist nicht vorgeschrieben. Unserer Meinung nach müssen nach dem Verfassungsgerichtsurteil und dem Hochwasser im Jahr 2021 Klimaschutzaspekte in den Planungen deutlich mehr berücksichtigt werden, nicht weniger. Dem wurde von der Verwaltung in den Abwägungen über die eingegangenen Einwände nicht ausreichend Rechnung getragen.

Antrag der Grünen zur Impulsförderung für die kommunale Wärmeplanung
Im Stadtrat ist ein Antrag der Grünen einstimmig angenommen worden, mit dem die Verwaltung aufgefordert wird, schnellstmöglich eine Bundesförderung von 100 % für die kommunale Wärmeplanung zu beantragen. Ziel ist es, für alle Hauseigentümer:innen Planungssicherheit zu schaffen, in welchem Teil des Stadtgebiets welche Art der Wärmeversorgung (leitungsgebunden oder dezentral und in Verbindung mit klimaneutralen Energieträgern) vorrangig eingesetzt werden soll.
Der Gebäudesektor ist neben dem Verkehrssektor für die meisten CO2-Emissionen verantwortlich. Deswegen plant die Bundesregierung, eine für die Kommunen verpflichtende kommunale Wärmeplanung einzuführen. Bevor sie verpflichtend wird, fördert die Bundesregierung über die Kommunalrichtlinie die Erstellung dieser Planung mit einer Impulsförderung von 100 %.
In Jülich heizen 70 % der Haushalte mit Gas. Die schrittweise Umstellung dieser Heizungen auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung erfordert eine umfassende Planung. Diese muss möglichst schnell Klarheit zur künftigen Wärmeversorgung auf dem gesamten Jülicher Stadtgebiet herstellen. Denn viele Menschen fragen sich, wie sie in ihrem Haus vorgehen sollen. Gestiegene Energiekosten und die bevorstehende Verpflichtung, ab 2024 neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien zu betreiben, zwingen zum Handeln. In zahlreichen alten Bestandsgebäuden ist der Einbau von Wärmepumpen aber mit hohen Sanierungskosten verbunden. Gerade in dicht bebauten Gebieten mit hohem Wärmebedarf bietet es sich eher an, die Gebäude über Wärmenetze zu versorgen.
Damit jetzt nicht Investitionsentscheidungen getroffen werden, die sich im Nachhinein als falsch erweisen, muss aus Sicht der Grünen so schnell wie möglich eine flächendeckende Wärmeplanung erstellt werden. Klarheit ist vor allem bezüglich der Gebiete notwendig, in denen Wärmenetze die günstigste Möglichkeit der Wärmeversorgung darstellen. Ansonsten suchen sich finanzkräftige Hauseigentümer:innen individuelle Lösungen, die viel kosten und einen wirtschaftlichen Betrieb der Netze später erschweren. Auch besteht ohne ein geplantes Vorgehen die Gefahr, dass die Stromnetze der steigenden Zahl von Wärmepumpen und E-Fahrzeugen nicht gewachsen sind.

Antrag der Grünen und der SPD: Bekämpfung von Periodenarmut
Im Ausschuss für Jugend, Familie, Integration, Soziales, Schule und Sport (JuFISSS) wurde einem von den Grünen und der SPD gemeinsam gestellten Antrag zugestimmt, damit künftig Menstruationsprodukten wie Tampons und Binden in Schulen und städtischen Gebäuden frei zugänglich bereitgestellt werden. Mit diesem Antrag soll das Thema enttabuisiert und zu Teilhabe und Gleichberechtigung beigetragen werden. Die Verwaltung prüft nun, in welcher Form die Bereitstellung erfolgt. Die Ausgabe soll von der Geschlechtsidentität unabhängig sein. Im Kreis Düren wurde ein ähnlicher Antrag bereits Anfang November für die kreiseigenen Schulen beschlossen.

Extrem heikle Entscheidung zum Krankenhaus
In einer nicht öffentlichen Sondersitzung des Stadtrates wurde am 22. Februar mit großer Mehrheit beschlossen, die Trägerschaft für das Jülicher Krankenhaus zu übernehmen und 4,7 Mio. € an Krediten bereitzustellen. Die Entscheidung birgt aus Sicht der Grünen große Risiken für die ohnehin angespannte städtische Haushaltslage: möglicher Kreditausfall, steigende Zinsen und vermutete Sanierungskosten für das Gebäude. In der Kürze der Zeit und ohne detaillierte Zahlen war es den Stadtverordneten auch nicht möglich, die Risiken und die Aussichten, das Krankenhaus nach der angekündigten Reform der Krankenhausfinanzierung auf Bundesebene langfristig erhalten zu können, wirklich fundiert zu beurteilen.
Auf der anderen Seite ist ein Krankenhaus in Jülich natürlich grundsätzlich wichtig. Vielen Menschen können weite Wege in andere Städte nicht zugemutet werden. Aus diesem Grund haben ein Teil unserer Stadtverordneten trotz unserer grundsätzlichen Bedenken zugestimmt.

Schwierige Haushaltsberatungen
Der Stadtrat hat am 1. März den von der Verwaltung vorgelegten Entwurf für die Haushaltssatzung nach einigen Änderungsvorschlägen beschlossen. Die Grünen haben dem Entwurf die Zustimmung verweigert. Die Gründe für unsere Ablehnung hat der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sebastian Steininger, in seiner Haushaltsrede erläutert. Diese kann unter https://gruene-dueren.de/2023/03/stellungnahme-zum-haushalt-2023_27427.html nachgelesen werden.
Insbesondere sind wir der Meinung, dass der Fokus zu wenig auf den Bereich Klimaschutz und zukunftsfähige Mobilität gelegt wird. Statt dort die notwendigen Mittel für Investitionen, Sanierung und Personal bereitzustellen, haben es sich CDU und JÜL zur Aufgabe gemacht, die Vorschläge der Verwaltung abzulehnen und sogar Stellenstreichungen in diesem Bereich zu beantragen.
Zudem ist der Haushalt mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet. Insbesondere ist in dem Entwurf nur eine Erhöhung von 3,5 % für den öffentlichen Dienst veranschlagt, während die Gewerkschaften gegenwärtig 10,5 % fordern. Weitere eigentlich notwendige Ausgaben wie die Sanierung des Feuerwehrgerätehauses in Koslar konnten nicht im Haushalt dargestellt werden. Auch die Entscheidung zum Krankenhaus kann dazu führen, dass der Haushalt in den kommenden Jahren erheblich belastet wird.
Die Aussichten für die kommenden Jahre verschlechtern sich ohnehin noch weiter, da die durch Corona und den Krieg in der Ukraine verursachten Mehrausgaben ab 2026 abgeschrieben werden müssen. Derzeit können sie „isoliert“ werden, werden also beim Ausgleich nicht mitgerechnet. Das gilt zum Beispiel für die Erhöhungen der Energiekosten der städtischen Liegenschaften infolge des Krieges in der Ukraine. Die gesamten Energiekosten belaufen sich laut den Auskünften der Verwaltung auf unsere Frage derzeit auf 4,4 Mio. €. Allerdings fehlen noch Angaben zum Kulturhaus, zur Musikschule, zum Rathaus und der ehemaligen Realschule. Wegen dieser enormen Kosten ist es auch so dringlich, dass die von den Grünen beantragte Stelle des Energiemanagements nun schnell besetzt wird.
Die 71.000 €, die laut Beschluss im PUB zur Neupflanzung von Bäumen verwendet werden sollen – statt der aus unserer Sicht nicht erfolgversprechenden Umpflanzung der Platanen auf dem Marktplatz – waren zunächst gar nicht im Entwurf vorgesehen. Auf unsere Nachfrage erklärte die Verwaltung, die Stadt habe wegen der trockenen Sommer Anpflanzungen zurückgestellt. In trockenen Zeiten hätten diese einen deutlich höheren Aufwand bezüglich Bewässerung. Auch seien zurzeit weniger Forstwaren in entsprechender Qualität und Preis verfügbar. Bei passender Gelegenheit abhängig von der Witterung würden ggf. im Rückgriff auf andere Sachkonten Bäume angepflanzt oder Mittel außerplanmäßig bereitgestellt. Dem haben die Grünen widersprochen. Nun werden in 2023 wenigstens 10.000 € bereitgestellt, zusätzlich zu 5.000 €, die ohnehin im Haushalt veranschlagt waren. Die restlichen 61.000 € werden wir dann in den kommenden Jahren einfordern.

In eigener Sache: Wer an den Entscheidungen und Diskussionen in den Gremien der Stadt mitwirken will, kann das tun! Wir suchen derzeit dringend eine/n sachkundige/n Bürger:in für den Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss. Die Bezeichnung klingt erfahrungsgemäß abschreckend, es haben aber viele der Ausschussmitglieder keine Vorkenntnisse und arbeiten sich nach und nach in die Thematik ein. Auch Interessierte, die in der Fraktion der Grünen allgemein mitarbeiten möchten, sind herzlich willkommen.
Bitte weitersagen!