Braunkohle muss endlich Beitrag zum Klimaschutz leisten 14. April 2015 | georg.schmitz In der Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Düren wurde über die Reaktionen der Lokalpolitiker von CDU und SPD auf einen Klimaschutzvorschlag von Wirtschaftsminister Gabriel gesprochen. Die Fraktion war sich einig, dass die Verweigerungshaltung gegenüber Klimaschutzmaßnahmen nicht hilfreich ist. Der Strukturwandel im rheinischen Kohlerevier muss zwar geordnet, aber schneller als bisher geplant, geschehen. Dafür wollen wir uns in unserer Arbeit einsetzen. Als Information und zur Diskussion stellen wir ein Positionspapier unseres Kreisvorsitzenden Oliver Krischer (MdB) ein. Braunkohle muss endlich Beitrag zum Klimaschutz leisten – Strukturwandel im Kraftwerkspark angehen Es ist alles genau so wie beim Abschied von der Steinkohle. Sobald das Unvermeidliche nur ein wenig konkret erscheint, wird eine ‚Ganz Große Koalition‘ der Veränderungsverweigerer aus CDU, SPD, IHK, RWE, IGBCE, den Landräten u. a. Meinungsbildnern aktiv. Diese übertrifft sich seit einigen Tagen in drastischsten Beschreibungen und Worten vom Untergang von Wirtschaft und Industrie im Rheinland, weil Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Abgabe für alte (!) Kohlekraftwerke vorgeschlagen hat. Dass Sigmar Gabriel hier einen Vorschlag macht, ist richtig und seine Aufgabe. Denn die Große Koalition in Berlin hat noch im Dezember 2014 beschlossen, das Klimaschutzziel von minus 40% CO2-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 erreichen zu wollen. Dazu muss die Bundesregierung in den verbleibenden, knapp fünf Jahren aber noch einiges tun: 2014 sind wir erst bei 24% Emissionsreduktion und der größte Teil davon stammt darüber hinaus noch aus dem Niedergang der DDR-Wirtschaft. Ohne substanzielle eigene Maßnahmen in Deutschland wird Kanzlerin Merkel die Staaten der Welt beim G7-Gipfel in Elmau im Juni und beim Klimagipfel in Paris im Dezember kaum zu mehr Klimaschutz bewegen können. Dabei ist klar: Alle Sektoren müssen ihren Beitrag leisten, um die deutsche „Klimaschutzlücke“ zu schließen – auch der Stromerzeugungssektor. Konkret geht es darum, die Emissionen der Kraftwerke in den nächsten fünf Jahren um mindestens 70 Mio. Tonnen auf maximal 290 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr zu reduzieren. Dazu muss selbstverständlich auch die Braunkohle ihren Beitrag leisten, nicht nur weil sie die mit Abstand klimaschädlichste Form der Stromerzeugung ist, sondern auch weil die Emissionen aus der Braunkohle seit den 1990er Jahren nicht gesunken sind. Ganz im Gegensatz dazu sind die Emissionen der Stromerzeugung aus der Steinkohle und aus Gas sehr deutlich gesunken. CO2-Emissionen der Braunkohle im Rheinland seit über 2 Jahrzehnten nicht gesunken Die ‚Ganz Große Koalition‘ der Braunkohlefreunde im Rheinland redet immer gerne von Klimaschutz, verabschiedet Konzepte und druckt bunte Broschüren über ihre Klimaschutzbemühungen – faktisch aber hat die Braunkohle im Rheinland bis heute null Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Die Emissionen sind mit 90 Mio. Tonnen CO2 mit jährlichen Schwankungen so hoch wie ehedem. 90 Mio. Tonnen bedeuten ein Drittel aller Emissionen NRWs und mehr als 10% aller Emissionen Deutschlands. Klimaschutzziele in NRW, Deutschland und Europa können nicht ohne Emissionsreduktionen in der Rheinischen Braunkohle erreicht werden. Dieser Tatsache müssen sich auch die Freunde der Braunkohle stellen. In den Koalitionsverträgen in Berlin und Düsseldorf, in Klimaschutzprogrammen vom Bund bis in die Landkreise des Braunkohlereviers, in Dutzenden von Studien und Gutachten ist diese Erkenntnis längst festgehalten. Nun ist es an der Zeit, dass sie endlich in konkrete Politik mündet. Emissionsreduktionen in der Braunkohle: Es geht um das „Wie“, nicht um das „Ob“ Man muss Sigmar Gabriel kritisieren, aber aus einem völlig anderen Grund: Er macht zu wenig. Gabriels Klimaschutzabgabe soll die Emissionen im Kraftwerkssektor nur um 22 Mio. Tonnen CO2 senken. Tatsächlich müssen sie aber um mindestens 70 Mio. Tonnen gesenkt werden, um das Klimaschutzziel zu erreichen. Alles über 22 Mio. Tonnen hinaus will der Wirtschaftsminister durch „Business-As-Usual“ – also z. B. durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien erreichen. Aber angesichts der Tatsache, dass Gabriel inzwischen nicht mal seine eigenen, schon viel zu geringen Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien erreichen wird, ist dieses Business-As-Usual fraglich. Auch fachlich kann man diskutieren, ob Gabriels Instrument das Richtige ist. Die Grüne Bundestagsfraktion hat schon vor Monaten ein anderes Instrument vorgeschlagen, den CO2-Budget-Ansatz für jedes Kraftwerk, so wie Großbritannien ihn bereits eingeführt hat. Dieses Instrument halten wir für zielgenauer und effektiver, aber das kann und muss man diskutieren. Was nicht geht, ist gar kein Instrument vorzuschlagen und die Dinge laufen zu lassen. Dann muss man auch ehrlich sagen, dass man keine Klimaschutzziele mehr will. Klimaschutzabgabe wirkt wie Emissionshandel Vor zehn Jahren wurde der EU-Emissionshandel eingeführt. CO2-Emissionen sollten einen Preis bekommen. Etwa 30 Euro je Tonne war ein Preis, den die Mehrzahl der Fachleute (auch die von RWE) als realistisch ansahen. Klar war auch, das belastet vor allem die Braunkohle, weil hier pro erzeugter Kilowattstunde dreimal so viel CO2 entsteht wie etwa bei Gaskraftwerken. Nun liegt der Preis für Emissionszertifikate aber aus den unterschiedlichsten Gründen am Boden und das Klimaschutzinstrument funktioniert nicht. Eine Perspektive, den Emissionshandel wieder wirksam zu gestalten, ist auf EU-Ebene vor 2020 nicht zu erkennen. Die Wirkungslosigkeit des Emissionshandels ist aber wiederum ein enormer Wettbewerbsvorteil gerade für alte abgeschriebene Braunkohlekraftwerke, die damit moderne und klimafreundlichere Kraftwerke aus dem Markt drängen. Eine Belastung mit einer Klimaschutzabgabe für alte Kohlekraftwerke in Höhe von maximal 18 € – also unter dem erwarteten Emissionshandelspreis – ist auch deshalb gerechtfertigt. Auf den Börsenpreis für Strom hat das Auswirkungen von maximal 0,2 ct/kWh. Angesichts von historisch niedrigen Industriestrompreisen in Deutschland ist das verkraftbar. Daraus eine Deindustrialisierung abzuleiten wie es im Rheinischen Revier seit Tagen zu hören ist, ist mehr als albern. RWE selbst fordert Milliarden € umfassende Kapazitätsmärkte für seine Kraftwerke, die die Strompreise in ganz anderer Größenordnung nach oben treiben würden. Nicht Klimaschutz sondern Missmanagement ist Ursache für Misere bei RWE Angesichts dessen ist das Geschrei der ‚Ganz Großen Braunkohle-Koalition‘ im Rheinischen Revier umso unverständlicher. In jedem Fall wird die Klimaschutzabgabe nicht das Ende der Braunkohleverstromung mit sich bringen. Es ist dümmliche Propaganda auf dem Rücken von Beschäftigten, wenn der Wegfall von 30.000 oder gar 70.000 Arbeitsplätzen an die Wand gemalt wird, wo RWE selbst nicht einmal mehr 10.000 Beschäftigte hat. Deren Zahl hat sich schon in den letzten 15 Jahren halbiert, obwohl die Stromerzeugung aus der Braunkohle auf dem gleichen Niveau geblieben ist. Wenn heute bei RWE Arbeitsplätze tatsächlich gefährdet sind, so liegt das nicht am Klimaschutz sondern an jahrelangem Missmanagement und der Arroganz eines Konzerns, der die Erneuerbare Zukunft der Energiewirtschaft erst ausgelacht, dann ignoriert, schließlich bekämpft und zum Schluss verschlafen hat. Die Milliardengewinne aus der Braunkohle im Rheinland wurden nicht in die Zukunft investiert sondern auf Abenteuerspielplätzen im In- und Ausland vom Müllgeschäft im Rheinland bis hin zur Wasserversorgung von London verzockt. Geblieben ist ein gigantischer Schuldenberg, ein nicht mehr zukunftsfähiges Geschäftsmodell und die Zweifel, ob der Konzern überhaupt noch in der Lage ist, für seine Altlasten bei Steinkohle, Braunkohle und Atom aufzukommen. Wenn sechs Landräte nun die Klimaschutzbemühungen für dieses Desaster und die ungewisse Zukunft von Arbeitsplätzen verantwortlich machen wollen, ist das bigott: Denn eigentlich müssten sie auf sich selber zeigen. Einige von ihnen tragen seit Jahren als Mitglieder von Aufsichts- und Beratungsgremien selbst unternehmerische Verantwortung für die Misere bei RWE. 50 Jahre alte Braunkohlekraftwerk weiter betreiben und hochmoderne Gaskraftwerke abschalten passt nicht zur „Innovationsregion Rheinisches Revier“ Es passt nicht zu einer zukunftsfähigen Innovationsregion, Kraftwerksblöcke über die Zeit retten zu wollen, die heute schon 40 oder 50 Jahre in Betrieb sind und eigentlich ins Museum gehören. Und nur um diese alten Kohleblöcke geht es bei der Klimaschutzabgabe oder den anderen Instrumentenvorschlägen. Es passt nicht zur selbst ernannten „Innovationsregion Rheinisches Revier“, wenn die ‚Ganz Große Koalition der Braunkohlefreunde‘ vierzig oder fünfzig Jahre alte Braunkohlekraftwerke weiter betreiben will, es aber achselzuckend hinnimmt, wenn in Hürth eines der modernsten und effizientestem Gaskraftwerke der Welt zwei Jahre nach seinem Bau wieder demontiert werden soll, weil es gegen den billigen Braunkohlestrom keine Chance am Markt hat. Hier vermissen wir Grünen den Aufschrei von CDU, SPD, IGBCE, IHK usw. Anscheinend misst man im Rheinland im 21. Jahrhundert immer noch mit unterschiedlichem Maß, wenn es um die Konkurrenz zu RWE und der Braunkohle geht. Kohlekraftwerke reichern giftiges Quecksilber an Das Rheinische Revier ist nach wie vor einer der Hot-Spots der weltweiten Klimazerstörung. Aber nicht nur das Klima wird durch die Braunkohleverstromung zerstört. Auch die Gewinnung der Braunkohle verursacht Schäden riesigen Ausmaßes, nicht nur während des Abbaus sondern auch noch für folgende Generationen, wenn schon lange keine Braunkohle mehr gefördert wird. Alte Kohlekraftwerke haben aber noch ein besonders Problem: Sie sind die größten Emittenten von hochgiftigem Quecksilber, das sich in unserer Umwelt immer stärker anreichert, weil es nicht abgebaut werden kann. Selbst die Bundesregierung äußert inzwischen Sorge über die gefährlich hohen Quecksilberkonzentrationen in Böden und Gewässern. Von dort gelangt das Gift über die Nahrung in den Menschen. Die USA sind nicht für ihre hohen Umweltstandards bekannt. Aber wenn die dort geltenden Grenzwerte für Quecksilber-Emissionen in Deutschland eingeführt würden, müsste jedes alte Kohlekraftwerk in Deutschland geschlossen oder nachgerüstet werden. Auch deshalb gibt es Handlungsbedarf, nicht nur wegen des Klimaschutzes. Nicht die Fehler des Ruhrgebiets im Rheinischen Revier machen Mit oder ohne Gabriel’schen Klimaschutzbeitrags – die Region befindet sich in einem Strukturwandel. Der wird weitergehen. Allerspätestens in 30 Jahren wird es im Rheinland keine Braunkohleförderung und –verstromung mehr geben, denn die rot-grüne Landesregierung hat richtigerweise entschieden, den Umfang des Tagebaus Garzweiler II zu reduzieren und keine neuen Tagebaue mehr zu genehmigen. Die Erfahrung mit dem Strukturwandel aus dem Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet lehrt, sich frühzeitig und konsequent auf das Ende des Bergbaus einzustellen. Die ‚Ganz Große Koalition der Braunkohlefreunde‘ im Rheinischen Revier beherzigt genau das nicht und erinnert eher an ähnliche Konstellation in den 1990er Jahren im Ruhrgebiet. Der „Ewigkeitsbergbau“ war das Glaubensbekenntnis dieser Koalition. Man versuchte im Ruhrgebiet Strukturen am Leben zu erhalten, die längst keine Zukunft mehr hatten. Für die Unterstützung dieser unsinnigen und schädlichen Politik durch den Bund zahlen NRW und das Ruhrgebiet bis heute und in Zukunft durch die Ewigkeitskosten einen sehr hohen Preis. Aus heutiger Sicht hat dem Ruhrgebiet diese Strukturpolitik geschadet, die Folgen sind vielerorts zu besichtigen. Es wäre eine Katastrophe fürs Rheinische Revier, wenn es der ‚Ganz Großen Koalition der Braunkohlefreunde‘ gelänge den überfälligen und unausweichlichen Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier zu verhindern. Siehe auch hier